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Geschichten die Freude machen

Die Mutmacher:
Verflixter Funkenflug!

Justin Abend sprüht trotz seines schweren Handicaps geradezu vor Energie.

Text und Fotografie: Ronald Schmidt

„Verflixter Funkenflug“ ruft Justin Abend, als wir ihn auf der Station der Neuropädiatrie des Göttinger Universitätsklinikums (UMG) bei seinen turnusmäßigen Routineuntersuchungen begleiten. Natürlich liegt kein Kurzschluss vor, aber ein kräftiger Funke ist schon übergesprungen, so hat uns die sprühende Lebensfreude von Justin Abend erwischt. Unglaublich, wieviel Energie und Wortwitz in dem kleinen sechsjährigen Patienten stecken, der hier wegen seiner angeborenen Meningomyelocele, einer neuromuskulären Erkrankung, die auch unter Spina bifida bekannt ist, seit seiner Geburt behandelt wird. Um Justin kümmert sich im UMG ein großer Stab an Spezialisten: Neuropädiater, Orthopäden, Neurochirurgen, Urologen, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Psychologen sowie Orthopädiemechaniker von o|r|t. Für Justin und seine berufstätige, alleinerziehende Mutter hält der Tag einen vollen Terminplan bereit, der durch die zusätzlichen Fahrzeiten innerhalb des Eichsfelds und nach Göttingen bzw. zur Arbeitsstelle der Mutter nicht gerade besser wird. Da bedarf es schon eines besonders eingespielten Teams und vor allem der tatkräftigen Mithilfe von Justins geliebtem Opa. Doch beginnen wir mit Justins Geburt: Seine Mutter Melanie war als Krankenschwester berufstätig, als sie mit Justin schwanger wird. Nichts deutet auf Probleme hin, „Sie bekommen ein kerngesundes Kind“, wird ihr bei den Routineuntersuchungen immer wieder gesagt, alles sei in bester Ordnung. Die Schwangerschaft verläuft völlig komplikationslos, auch der 3D-Ultraschall zeigt keinerlei Probleme. Doch kurz nach der Geburt kommt der Schock und die Krankheit ist zu erkennen, Justin wird sofort aus dem Eichsfeld ins Universitätsklinikum nach Göttingen verlegt. Gleich am nächsten Morgen erfolgt die erste OP: Der offene Rücken wird verschlossen und eine Kapsel zum Abpunktieren des Hirnwassers gelegt. Es folgen sechseinhalb Wochen Intensivstation, danach einige Tage normale Station, bevor Mutter und Kind nach Hause entlassen werden. Dort ist die junge Mutter erstmal wie vor den Kopf gestossen, sie steht ziemlich allein da, die Ärzte nennen ihr eine ASBH*-Selbsthilfegruppe, das Problem: Es gibt in der Nähe keine gleichaltrigen Kinder, ein tiefergehender Austausch mit anderen Eltern und deren Kindern kann nicht stattfinden, Kontakte ebben schnell wieder ab.

 

Um Justin kümmert sich im UMG ein großer Stab an Spezialisten: Kinder- und Neurochirurgen, Kinderärzte, Neurologen, Physiotherapeuten, Logo- und Ergotherapeuten sowie Orthopädiemechaniker vom Göttinger Sanitätshaus o|r|t.

Melanie Abend recherchiert im Internet und so langsam wird ihr klar, auf was sie sich in Zukunft einstellen muss: Nichts wird wie vorgestellt ablaufen, jede Menge Kraft nötig sein. Weitere OPs folgen, der Rollstuhl aber bleibt unvermeidbar. Mit vier Wochen bekommt Justin ein Ventil in den Kopf eingesetzt um den mit dieser Krankheit einhergehenden Hydrocephalus entgegenzuwirken. Hierbei wird über einen Schlauch Hirnwasser abgeleitet, das nicht auf normalem Wege abfließen kann, um den Druck im Kopf dauerhaft zu senken.

Nach dreieinhalb Jahren daheim und Unterstützung von Schwester, Oma und Opa, bekommt Justin einen Halbtagsplatz in einem integrativen Kindergarten und seine Mutter kann wieder in ihrem alten Beruf als Krankenschwester in Teilzeit und Schichtdienst arbeiten. Im Kindergarten bekommt Justin Ergotherapie und Krankengymnastik. Ohne die tatkräftige Hilfe des Opas, bei dem die junge Familie nach dem Tod der Oma mittlerweile wieder lebt, wäre die Berufstätigkeit aber nur schwer möglich, denn Justin muss täglich um 14 Uhr vom Kindergarten abgeholt werden. Das geht wegen des Schichtdienstes nicht immer und dann springt Justins Opa und ein Taxi ein. Daheim muss Justin regelmäßig katheterisiert werden (künstliches Wasser lassen), das Stützkorsett erschwert diese Tätigkeit. Anfang November 2010 wird Justin erneut operiert, in der Göttinger Universitätsmedizin setzt Frau Dr. Hell ein VEPTR ein, mittels dessen die Wirbelsäule Stück für Stück begradigt werden soll und die Skoliose gemildert wird (diese so genannte „Teleskop-Technik“ stellten wir in der o|r|t vital 1/2010 im Detail vor). Später soll Justin die ISK-Technik (Intermittierende Selbstkathetisierung) erlernen, um beim Wasser lassen mehr Selbstständigkeit zu erhalten. Sehr früh bekommt er auch regelmäßige Krankengymnastik, besucht einmal pro Woche eine Musiktherapie in der Duderstädter Lebenshilfe e.V.. Mittwochs freut sich Justin auf sein Therapiepferd Chady in Matthes Horseranch in Jützenbach. Dann darf er mit Hilfe seiner Reittherapeutin Christina Jasari eine halbe Stunde reiten. Das Pferd wird dabei von einer weiteren Helferin geführt, die Therapeutin sichert Justin und macht Übungen mit ihm. Diese Reittherapie ist leider sehr teuer für Justins Mutter, zumal Hin und Rückfahrt mit knapp 40 Kilometern auch nicht gerade kurz sind, doch Justin macht dabei soviel Fortschritte und gewinnt ein enormes Körpergefühl. Er sitzt jetzt sogar eigenständig auf dem Pferd, seine Wirbelsäule wird dabei besonders trainiert und gestärkt.

Prognosen für die kommenden Jahre sind aber ungewiss, daher müssen Mutter und Sohn nach dem Motto „Heute ist heute und morgen ist morgen“ leben. Wie sieht Justin das? Er fragt nicht viel, aber möchte auch mal wie andere Kinder laufen, Fahrrad fahren oder auch nur auf den eigenen Beinen stehen. Das wird wohl nie gehen, aber wenigstens eine Art Fahrrad-Ersatz hat er nun, ein Handbike, das vor den Rollstuhl gespannt wird und bei dem seine Arme die Beine ersetzen. Dazu muss Justin aber seine Armmuskulatur noch weiter ausbilden, um genügend Kraft zu bekommen. Ballspiele liebt er, egal ob Basketball oder Handball, Hauptsache er kann werfen. Was gibt Justins Mutter die Kraft, trotz vieler Schwierigkeiten nicht aufzugeben? „Justin ist ein sehr fröhliches Kind, das zieht mich immer wieder hoch. Sein Charme kann einen einwickeln, das bestätigen viele Menschen, mit denen er in Kontakt kommt. Außerdem sind gute Freunde, die Familie und hier besonders unser Opa eine große Stütze.“

Wie funktioniert die Integration in den Alltag? „Im Kindergarten läuft alles super, wenn es ab Sommer 2011 auch in der Grundschule so wird, wäre ich sehr froh. Zum Glück steht die Schulleiterin voll hinter uns, Barrierefreiheit wird durch eine Rampe geschaffen und die Klasse wird im Erdgeschoss unterrichtet, um unnötiges Treppensteigen zu vermeiden.“ Justin benötigt dann einen Einzelfallhelfer, der ihn tagsüber begleitet und im Schulalltag hilft. Am besten wäre ein Langzeithelfer, damit nicht alle sechs Monate (Zivildienst) die Bezugsperson wechselt.

Besonders wichtig: Wie klappt die Unterstützung seitens der Behörden und Krankenkasse? „Man muss sich seine Rechte oft erkämpfen, das dauert und kostet viel Kraft. Die Pflegestufe 1 mussten wir leider erst erklagen und die Versorgung mit wichtigen, notwendigen Hilfsmitteln dauert oft viel zu lange.“ Auf die Frage nach den Zukunftswünschen bleibt Justins Mutter bescheiden: „Ich möchte meinen Job behalten, um so weiterhin selbst für unseren Lebensunterhalt sorgen zu können, später vielleicht wieder eine eigene behindertengerechte Wohnung in Duderstadt oder im näheren Umkreis und auf jeden Fall irgendwann auch ein etwas größeres Auto, denn wir können derzeit den für Justin wichtigen Steh- Rolli nicht zusammen mit dem normalen Rollstuhl transportieren, ohne sie für den Transport zu zerlegen“. So verbleibt der Steh-Rolli leider oft im Kindergarten und wird nicht -wie eigentlich empfohlen- mehrmals täglich genutzt. „Ein größeres Auto ist aus eigenen Mitteln leider nicht drin, es reicht gerade so zum Leben“, bedauert Melanie Abend.

Eine Frage haben wir noch am Schluss unseres Gesprächs, wie kommt Justin auf Sprüche wie „Verflixter Funkenflug!“? „Er ist absoluter Feuerwehrfan, das muss er vom Feuerwehrmann Sam aus dem Fernsehen haben“, sagt seine Mutter und verrät uns noch eine weitere Schwärmerei von Justin: „Er ist ein ganz großer Tabaluga-Fan, Tabaluga begleitet ihn bei jedem Krankenhaus-Aufenthalt und den Peter Maffay haben wir auch schon mal persönlich getroffen.“

Justin gewinnt ein enormes Körpergefühl, er sitzt jetzt sogar eigenständig auf dem Pferd, seine Wirbelsäule wird dabei besonders gut trainiert und gestärkt.

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